Welche Farben hat die Natur an einem Regentag im Winter, oder wer bestimmt was schön ist und was bunt ?

Neulich sagte jemand zu mir, ich solle doch beobachten, wie sich der Regen entlang von Fichtennadeln sammelt und als schwerer Tropfen dann zu Erde fällt.

Ich habs noch nicht gemacht. Aber es steht auf meinem Plan mich an einem Regentag in den Wald zu begeben und einfach dem Regen zuzuschauen.
"Das ist doch kein Wetter zum Spazieren gehen!" , wirst du sagen.
Bei Schönwetter und blauem Himmel geht jeder hinaus, bei Bedingungen, die nicht der Norm entsprechen, hält sich diese Aktivität in Grenzen.
Nass ist es, nass wird man und die Farben- ja die sind ganz anders.


Die gängige Definition von Farben ist BUNT.
Was ist bunt? Alle Abstufungen der Hauptfarben Rot, Gelb und Blau? Es ist eine unendliche Palette.

Es gibt eine andere Buntheit, die mit diesen Abstufungen nicht viel zu tun hat.

Besonders im Spätherbst, wenn alles Laub am Boden liegt und die letzten Rosen im Garten verblüht sind tut sich eine andere Farbpalette auf, die stark braun, grün und grau dominiert ist.

Es sind die Pflanzen, die den Winter über ihr Laub behalten, besser gesagt ihre Nadeln. Es sind die letzten Farne, die der Frost noch nicht erwischt hat. Es ist das Moos, das gerade durch die Feuchtigkeit so tief zu leuchten beginnt. Ein Moospolster lädt ein mich niederzusetzen und mich auf diese Ebene zu begeben. Dieses satte Grün nimmt mich mit in eine Welt des Makrokosmos und ich beginne mich in diesem grünen Dschungel zu bewegen. Es tut meinen Augen gut, es beruhigt sie nach all diesen Farbexplosionen in der Natur in den warmen Jahreszeiten, aber besonders nach dem Überangebot an künstlich erzeugten Farben in unserer Konsumlandschaft.

Die Reduktion, die Vereinfachung, die aber nichts mit Mangel zu tun hat, lässt mich wieder etwas Anderes wahrnehmen. Die Welt um mich herum kann so bunt sein, auch wenn die vermeintliche Farbenvielfalt fehlt.


Ich erinnere mich sehr gut an meine letzte Reise in die Staaten. Wir fuhren vom Osten Richtung Westen bis wir Utah erreichten. Schon im Grenzgebiet von Wyoming zu Utah begann sich die Landschaft zu verändern. Wo vorher Wiesen, Felder und Wälder in der Überzahl waren, säumten jetzt vereinzelt Felsen, kleinere Felsformationen den Straßenrand, bis eben die Hauptfarbe nicht mehr Grün , sondern alle Schattierungen von Braun war. Nicht mehr Pflanzen bestimmten die Landschaft, sondern Felsen und Sand. Stundenlang konnte man so dahinfahren, immer wieder veränderte sich durch den Stand der Sonne auch die Farbe der Umgebung. Nur mehr ganz selten konnte ich ein paar grüne Farbtupfer entdecken, Wasserläufe , Seen , die sichtbare Anwesenheit von Wasser fehlten vollständig. Mir gefiel diese scheinbare Kargheit, ich nahm diese Farben in mich auf und sehe sie immer noch, wenn ich meine Augen schließe. Unserem europäischen Auge, das ja gewöhnt ist an eine überschwängliche Farbenvielfalt in der Landschaft, kann das Probleme bereiten bis hin zu Angstgefühlen, was ich an meinem Mitreisenden erleben durfte. Wir wollten noch ein paar Tage durch New Mexico und Arizona reisen, brachen aber aus diesem Grund die Reise ab und fuhren auf gerader Strecke wieder in fruchtbares Land.

Ja, die Abwesenheit von Grün und sichtbaren Wasserläufen machte diesem Menschen die vermeintliche Leere sehr stark bewusst und sie steigerte sich bis ins Unerträgliche. Die Stimmung besserte sich schlagartig, als wir wieder in gewohntem Terrain waren.

Damals konnte ich diese Reaktion nicht ganz verstehen, aber heute weiß ich , dass diese Landschaft ein innerer Spiegel des Menschen war.


Was ist schön?
Was ist bunt?

Diese beiden Attribute sind in unserer Wahrnehmung definiert. Weicht etwas von dieser Programmierung ab, setzt das in unserem System etwas in Bewegung, nämlich Veränderung. Wenn ich mich von diesem Gefühl mitnehmen lasse, kann das eine Möglichkeit sein, meine bisherigen Vorstellungen in Frage zu stellen und sie zu verändern.

Ich glaube, es ist wichtig diese Programmierung zu überdenken und gegebenenfalls zu löschen. Sie schränkt mich ein in meiner Wahrnehmung. Sie lässt mich nicht tiefer sehen und verhindert sogar den Grund zu spüren. Sie blockiert den Blick auf mein Innerstes.

Ja, ich war heute im Wald und habe dem Regen zugeschaut, wie er den Weg über die Nadeln nimmt um dann als dicker schwerer Regentropfen am Ende eines Zweiges zu hängen, prall und in totaler Anspannung, dann diese Spannung löst und zur Erde fällt.

28. 12. 2012

Bilder vom 28. 12. 2012

Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Wallner-F. (Dienstag, 10 März 2015 12:32)

    DIE MUSIK IN UNS - IN MIR hat mir sehr gefallen. Das heißt nicht, dass mir sonst nichts gefiel, im ersten Augenschein sogar sehr viel. Liebe Grüße Wolfgang